veröffentlicht von Geometragische Gazette am 3. Oktober 2013

von Barnebras Riffperle und Guilevri Weilersruh, Silbermond

Bemerkenswert unbeachtet blieb ein jüngerer Zugang zu den Reihen unserer Forscher. Die Rede ist von der älteren Magistrix Shikako Vlyndrel, einer hochgewachsenen Dame, die, so muss ich einlenken, bisher nicht viel dafür getan hat, um auf sich aufmerksam zu machen. Keineswegs beziehe ich mich auf ihre wissenschaftliche Verdienste, sondern lediglich auf die Entsagung gesellschaftlicher Anlässe ihrerseits. Gestern Abend stattete ich ihr einen länger geplanten Besuch ab, um sie über das vereinbarte Gespräch in der “Geometragischen Gazette” vorstellen zu dürfen, und stellte fest, dass die Gelehrte ohnehin ein gewisses Maß an Einsamkeit als ihren Lebenspartner auserwählt zu haben scheint, wenngleich nicht freiwillig.

Das Gewöhnliche schwindet, kaum bin ich tiefer in das beschauliche Stadthaus der Magistrix in Silbermond eingedrungen. Denn wie wir die ersten freundlichen Worte miteinander wechseln, wundere ich mich über diesen einen Satz: “Zeit ist Gold.” Es ist ein Idiom, das selten von artgenössischen Lippen klingt, und ich ahne, dass die Sin’dorei, die einen ihrer Glimmstängel mit einer magischen, tiefgrün brennenden Flamme aus den Fingerspitzen anzündet, eine Vita vorweist, die ganz und gar nicht in einer geraden Bahn verläuft.

Mein Verdacht bestätigt sich, als wir auf ihre Ausbildung und akademische Laufbahn zu sprechen kommen. Als Tochter einer reinen Magisterverbindung, von Anoriel und Saryn Vlyndrel, geborene Bachrose, war ihr Lebensweg als Zauberkundlerin bereits vorgezeichnet. Doch statt die ehrwürdigen Arkanistenschulen zu besuchen und gemeinsam mit Kommilitonen zu studieren, erhielt Shikako Vlyndrel von Beginn an Anleitung im kleinen, erlesenen Kreise. Der Privatunterricht wechselte häufig die Grenzen. Shikako Vlyndrel pendelte auf Weisung ihres Vaters — ihre Mutter Saryn verließ die Familie kurz nach der Geburt und verstarb — etliche Male zwischen Dalaran und Quel’Thalas, um in den Genuss der Vorzüge von gleich zwei führenden Magiernationen zu kommen. Einen “Doppelabschluss”, wie sie sagt, habe sie geleistet. Ihr damaliges Thema sei die Arkane Elementarmanipulation auf fortgeschrittenem Stand gewesen, ein Feld, dem sie bis heute die Treue hält.

Die Studien mögen ihr als Anker in einem sonst eher unsteten Leben dienen. Denn wenn auf eines in den Jahrhunderten ihres Daseins Verlass ist, dann dürfte es das persönliche Unglück sein. Vier Bünde hat Shikako Vlyndrel geschlossen. Keiner dauerte lang an. Und die Früchte all ihrer tragischen Lieben? Die mehrfache Witwe zählt zwar zwei Kinder auf, doch habe die Geißel sie ihr genommen. Ihr Vater sei ebenso tot, doch wisse sie von weiteren Blutsverwandten. Im Gegensatz zur Magistrix, die sich zu ihrer thalassischen Heimat bekannt hat, verstreut sich jedoch die übrige, dezimierte Familie über die Kontinente. Andere müssen offenbar an ihrer Stelle die Leere des großen Stadthauses füllen. Da wären der Mops, eine faltige, geknautschte Kreatur, die an diesem Abend nicht von der Seite ihres Frauchens weicht, und der zum Gespräch allerdings abwesende Adoptivsohn Laurion zu nennen.

Und nicht zu vergessen: die Arbeit. Mittlerweile konzentriert sich die Gelehrte auf die Pyromantie und erwirbt sich sogleich Respekt, indem sie Abstand von leichtsinnigen Vorführungen neuester Erkenntnisse nimmt. Nein, sie sei keine Theoretikerin, nicht ausschließlich. Sie wolle in Zukunft ihre Annahmen am Institut überprüfen und verspricht sich vom Arkaneum beste Bedingungen für die in ihrem Wesen gefährlichen, daher nie zu unterschätzenden Experimente.

Vlyndrels hohe Wertschätzung für die Anstalt drückt sich auch in den zugestandenen Schlussworten aus: “Die Leserschaft soll wissen, dass Forschung genauso wichtig ist wie die Lehre innerhalb des Arkaneums. Ohne Forschung gibt es keinen Fortschritt. Und Fortschritt ist die Lebensader unseres Volkes. Und wir tragen einen bedeutenden Teil dazu bei.”

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